Traditionell sind November und Dezember die umsatzstärksten Monate für den Handel. Gerade erst veröffentlichte der Handelsverband Deutschland seine Schätzung für 2016. Somit hat sich der Weihnachtsumsatz dieses Jahr auf 91,1 Milliarden Euro erneut gesteigert. Dem boomenden Weihnachts- und Silvestergeschäft folgt jedoch meist das Retourenhoch für Händler. Dabei ist das nur die Spitze des Eisbergs. Retouren bereiten dem Handel das ganze Jahr über Kopfzerbrechen. Erst im Oktober veröffentlichte der Händlerbund die Retouren-Studie 2016. Diese enthüllt teilweise ernüchternden Erkenntnisse darüber, mit welchen retourbezogenen Problemen Unternehmen zu kämpfen haben.
Das Retouren eine Herausforderung für den Handel sind ist nichts Neues. Es gibt zahlreiche Diskussionen darüber welche Strategien zur “Bekämpfung” am effektivsten sind. Sollten retourfreudige Kunden umerzogen werden oder gar das Konto gesperrt werden? Oder doch möglichst viele Hürden bei der Rücksendung einbauen? Nur per Vorkasse bezahlen lassen? All diese Vorschläge haben eine Gemeinsamkeit - der Kundenservice bleibt dabei auf der Strecke. Im Gegensatz dazu betrachten bereits einige Händler Retouren als Chance. Der Trend geht dazu über, dass man es dem Verbraucher besonders einfach macht Ware zurückzuschicken. Online-Händler möchten Kunden den gleichen Service bieten, den sie auch im stationären Handel erhalten.
Würden Sie sich als Manager einer H&M-Filiale an die Umkleidekabine stellen und den Kunden sagen, sie müssten mindestens 50 Prozent der Teile, die sie anprobieren, wirklich kaufen, ansonsten dürften sie die Sachen gar nicht mit hineinnehmen?
Zahlreiche Unternehmen, wie beispielsweise Zalando, gehen sogar soweit aktiv Rücksendungen anregen. Dabei gehen sie auf den Konsumwandel und die wachsende Bedeutung des E-Commerce ein. So erzielte der Online-Handel 2015 einen Umsatz von 46,90 Mrd. Euro, ein sattes Plus von 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verglichen mit der Wachstumsrate des Einzelhandels von nur 3,1 Prozent lässt sich die zukünftige Konsumentwicklung gut einschätzen.
Dieser Wandel unterstreicht auch, dass das Retourenaufkommen in den nächsten Jahren stetig wachsen wird. Wichtig dabei ist, keine Abstriche beim Kundenservice zu machen sondern die Annehmlichkeiten des stationären Einkaufs auch Online zu übernehmen. Diese Entwicklung macht es auch unerlässlich eine effiziente Retourenlogistik zu haben. Dabei gewinnt die Thematik der Reverse Logistics an Bedeutung.
Reverse Logistics, im Deutschen auch Rückführungs- oder Rückwärtslogistik,umfasst alle Material- und Informationsflüsse, die entgegengesetzt der traditionellen Richtung der Distributionslogistik fließen. Somit vom Kunden zurück zum Händler oder Hersteller. Meist handelt es sich hierbei um:
Mit eingeschlossen sind dabei auch Materialflüsse wie z.B. Überbestände. Diese Produkte haben ihren Ausgangspunkt weiter vorne in der Wertschöpfungskette und durchlaufen nicht den traditionellen Weg entlang der Belieferungskette.
Lange Zeit wurde die Thematik der Reverse Logistics ignoriert. Das Retourenmanagement wurde lediglich als Kostenfaktor gesehen. Alle verfügbaren Ressourcen wurden für das Kerngeschäft eingesetzt um das Wachstum weiter voranzutreiben. Hinzu kommt, dass eine effiziente Retourenlogistik selten in den KPIs vertreten ist und daher auch kein ROI vorzuweisen ist. Somit erklärt sich auch das eher nachlässige Retourenmanagement seitens der Händler.
Bis dato nutzen viele Händler veraltete Prozesse. Der einzige Vorteil, der sich aus diesem herkömmlichen “Retourenmanagement” ergibt ist, dass die Verantwortung für die Ware abgeschoben werden kann. Oftmals akzeptieren Unternehmen dafür nur einen Bruchteil des ursprünglichen Warenwertes zu erzielen. Das traditionelle Retourenmanagement ist in der untenstehenden Grafik am Beispiel eines hypothetischen Händlers A verdeutlicht.
Nach Retoureneingang wird die Ware noch im Lager geprüft. Ungenutzte Retoure geht als A-Ware zurück in den regulären Verkauf. Durchschnittlich gehen 15 % der Ware zurück an den Hersteller, falls solche Absprachen getroffen wurden. Einige Händler haben auch bereits ihren eigenen Outlet zur Zweitvermarktung von Retouren. Jedoch sind solche Verkaufskanäle mit einer großen operativen Herausforderung verbunden. Das liegt daran, dass die rückwärtsgerichtete Lieferkette dynamisch und unkalkulierbar ist. Am Ende bleiben meist beschädigte und/oder gebrauchte Retouren übrig, die nicht mehr über die eigenen Kanäle verkauft werden können. Im Halbjahres-Rhythmus wird diese Ware an den höchst bietenden Liquidator verkauft. Dadurch entstehen hohe Lagerkosten und die Ware verliert an Wert. Danach beginnt der Weiterverkauf über diverse Mittelsmänner und über weite Transportwege. Aufgrund von zahlreichen Berührungspunkten werden zusätzlich Teile der Ware beschädigt und enden als Müll. Letztendlich wird nur noch ein geringer Teil der Retourware an den Endverbraucher verkauft. Zudem haben Händler und Hersteller auch keine Informationen darüber wo die Ware letztendlich zu welchem Preis verkauft wird.
Die Ware kommt in unterschiedlichen Zuständen im Lager an und muss im ersten Schritt geprüft und kategorisiert werden. Eine Retourenmanagement Software kann beispielsweise als “Decision Maker” eingesetzt werden. Ausgehend von Zustand, Wert und Kosten der Retoure wird mit Hilfe von historischen und Echtzeitdaten von Zweitmärkten der optimale Verkaufskanal bestimmt. Durch technologisch optimierte Reverse Logistics kann in etwa die Hälfte der Ware direkt an den Endverbraucher verkauft werden. Dazu gehört auch die Ware aufzubereiten oder zu reparieren. Defekte Ware sollte im Sinne der Kreislaufwirtschaft recycelt oder umweltfreundlich entsorgt werden. Das führt dazu, dass für die jeweilige Retoure der beste Weg gefunden werden kann und somit das volle Potential ausgeschöpft wird. Zudem profitieren Händler von zahlreichen Vorteilen, die sich schlussendlich positiv auf die Profitabilität auswirken.
Lange ignoriert bietet eine Retourenlogistik im Sinne der Reverse Logistics diverse Vorteile durch welche sich Händler zukünftig von der Konkurrenz absetzen können:
Retouren stellen den Handel vor eine große Herausforderung. Mit dem Wandel des Konsumverhaltens und der wachsenden Bedeutung des E-Commerce wird dies auch in Zukunft so bleiben. Wie eine Statistik aus dem Jahr 2013 aufzeigt, lag damals bereits die Möglichkeit der “Einfachen Retoure” auf Platz 3 der wichtigsten Faktoren für eine Kaufentscheidung. Daher liegt es an Unternehmen die Situation zu akzeptieren und sich für innovative Lösungsansätze zu entscheiden. Dabei lohnt es sich strategische Partnerschaften zu nutzen um das volle Potential der Reverse Logistics auszuschöpfen. Der Trend geht dazu über Endverbraucher einen noch besseren Service zu bieten. Top Player der Industrie geben diesbezüglich auch schon die Richtung vor und werben regelrecht mit ihrer attraktiven Retourenpolitik. Daher wird die Wettbewerbsfähigkeit besonders von Online-Händlern in Zukunft stark daran gebunden sein, wie effizient sie ihre Retouren verwerten.