Das Retournieren von Artikeln war für die Kunden noch nie so einfach wie heute. Fast drei Viertel der Online-Händler (EHI 2017) übernehmen grundsätzlich die Retourenversandkosten. Für die Händler ist dies einerseits vor allem eine Möglichkeit als Marke zu punkten. Auf der anderen Seite jedoch, haben Unternehmen ein großes Interesse daran, Retouren zu vermeiden. Dies gründet nicht nur in der höheren Kundenzufriedenheit, sondern vor allem im Bearbeitungsaufwand und den Kosten, die im Handel durch Retouren entstehen.
Dabei spielt nicht nur die Übernahme der Versandkosten eine Rolle. Besonders kostenintensiv ist der Prozess der Sichtung, Prüfung und Qualitätskontrolle der Artikel. Nur etwa 3 Prozent der befragten Online-Händler legen Wert darauf die Ware zunächst auf ihren Zustand zu überprüfen und die Versandkosten nur dann zu erstatten, wenn diese in Ordnung und eindeutig ungenutzt ist. Fast ein Drittel der Unternehmen bietet den Kunden sogar in bestimmten Fällen an, die Artikel trotz Retourenanmeldung und Gutschrift nicht zurück zu senden. Eine Rücksendung verursacht wiederum Kosten und bei Artikeln, die nicht wiederaufbereitet oder –vermarktet werden können, ist dies wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Nur etwa 70 bis 80 Prozent der Ware, die zurückgeschickt wurde, lässt sich wieder als Neuware verkaufen. Im Klartext bedeutet dies, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Versandrückläufer nicht mehr in einwandfreiem Zustand sind. Doch was passiert mit dieser Ware?
Der Logistik-Riese Amazon stand für seinen Umgang mit Retouren zuletzt stark in der Kritik. Er soll massenweise Retouren und Neuware vernichtet haben. Es gab zudem mehrere Hinweise darauf, dass nicht nur unbrauchbare, sondern auch durchaus noch intakte Ware in den Logistiklagern vernichtet wird. Amazon bietet sogar auch für externe Versandhändler einen Entsorgungsservice für unverkaufte Lagerbestände an. Hunderte Artikel, auch von externen Versandhändlern, die den Versand durch Amazon nutzen, werden täglich intern mit dem Label „Destroy“ gekennzeichnet und entsorgt. Doch Amazon steht damit nicht alleine, mehr als die Hälfte der in der EHI-Studie befragten Unternehmen, gaben an, dass sie Ware, die sie nicht wiederverkaufen können, vernichten, entsorgen oder recyceln. Besonders häufig wird diese Methode in den Branchen Mode, Einrichtung, Parfümerie, Gesundheit und Konsumelektronik angewandt.
Die Gründe dafür, dass Retouren nicht wieder als Neuware verkauft werden, sind unterschiedlich. Das Hauptproblem liegt allerdings in der Kosten-Nutzen-Abwägung. In der EHI Studie zum Thema „Versand und Retourenmanagement im E-Commerce 2018“ geben fast zwei Drittel der befragten Onlinehändler an, dass der Zustand der retournierten Artikel oft zu schlecht für einen Wiederverkauf wäre. Die Aufbereitung dieser Artikel sei häufig nicht möglich oder zu aufwändig. Hinzu kommt für mehr als ein Drittel der Befragten, dass die Bearbeitung und Aufbereitung der Retouren zu kostspielig wäre und sich wirtschaftlich nicht lohnen würde. Es ist billiger, die Ware zu vernichten. Kann sie nicht wieder als Neuware verwertet werden, nimmt sie nur unnötig Lagerplatz ein. Vor allem bei Hygieneartikeln und im Lebensmittelbereich spielen außerdem rechtliche Regelungen eine entscheidende Rolle. Bei Hygiene-Artikeln gilt, wurden sie benutzt und ihre Versiegelung entfernt, dürfen sie nicht wiederverkauft werden. Da Lebensmittel ein idealer Nährboden für Mikroorganismen sind und mit Rückständen und Schadstoffen belastet sein können, die für den Menschen schädlich sein könnten, unterliegen sie besonders strengen Auflagen, die sowohl die Produktion, die Verarbeitung und den Vertrieb betreffen. Sie dürfen somit nicht ohne weiteres wieder in den Verkauf gelangen.
Die Kritik am Umgang der Online-Händler mit Retouren und die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie auf sich gezogen hat, zeigen die Notwendigkeit neuer Lösungsansätze in diesem Bereich. Reverse Logistics setzt genau hier an. Diese Strategie stellt eine Alternative zur Zerstörung von Produkten und Rohstoffen dar.
Die Händler können durch das „Auslagern“ der Retourenbearbeitung viel Zeit und Kosten einsparen. Die Wiederaufbereitung und Kontrolle der Artikel wird von darauf spezialisiertem Personal übernommen, welches durch festgelegte Prozesse und eine hohe Expertise effizient und gewissenhaft vorangeht. Über diesen Prozess ist es außerdem möglich nicht nur Kosten zu vermeiden, sondern mit der Ware sogar noch Gewinn zu erzielen.
Oft sind die retournierten Artikel noch in einem guten bis sehr guten Zustand und lassen sich einfach weiterverwenden. Gebrauchte Artikel lassen sich mit wenigen Handgriffen aufbereiten; und selbst beschädigte oder defekte Artikel können beispielsweise als Ersatzteillager dienen.
Für die Verbraucher ergeben sich neue Möglichkeiten, um sich ihre Konsumwünsche zu erfüllen. Die Artikel können oft günstiger angeboten werden, daher wird es für eine größere Zahl von Konsumenten möglich, diese zu erwerben. Hinzu kommt, dass viele Konsumenten das Thema Nachhaltigkeit mit in ihre Kaufentscheidung einbinden. Reverse Logistics beugt nicht nur der Entstehung von Unmengen an Müll vor, sondern vermeidet außerdem unnötige Transportwege, da die Ware direkt beim Verbraucher landet und nicht über Dritthändler womöglich noch in andere Länder transportiert wird.
Auch die EU arbeitet an gesetzlichen Regelungen, die das Wegwerfen verhindern sollen. Seit 1. Juni 2012 ist das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung in Kraft. Laut §5 dieses Gesetzes ist ein Stoff dann nicht mehr als Abfall einzuordnen, wenn er entweder ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat, für bestimmte Zwecke verwendet werden kann, eine Markt bzw. Nachfrage besteht, bestimmte technische und rechtliche Anforderungen erfüllt sind oder die Verwendung des Artikels unschädlich ist. Viele Artikel, die als Retoure zurück zu den Händlern kommen, erfüllen diese Kriterien und werden trotzdem entsorgt.
Im Dezember 2015 wurde ein überarbeitetes Paket zur Kreislaufwirtschaft vorgelegt. Dieses beinhaltet, dass die in Abfällen enthaltenen Wertstoffe sinnvoll wiederverwendet und recycelt werden und dann in die europäische Wirtschaft zurückfließen. Dies soll nicht nur zur Kreislaufwirtschaft beitragen, sondern gleichzeitig auch die Abhängigkeit der EU von Rohstoffimporten verringern.
Den ersten Schritt zur Vermeidung von Müll und der Förderung der Kreislaufwirtschaft initiiert die EU bereits mit dem geplanten Verbot mehrerer Einwegprodukte aus Plastik. In Zukunft werden vermutlich weitere Regelungen folgen, die den Handel und den Umgang mit Retouren beeinflussen könnten. Im Hinblick auf den Umweltschutz und die Voranbringung der Kreislaufwirtschaft ist es daher ratsam, sich bereits jetzt nach Alternativen umzuschauen und eine Umstellung frühzeitig vorzunehmen.